Eine Brücke für 100 Jahre
© Stadt Ahlen
Anstelle von sommerlichem Blütenduft liegt dort, wo demnächst die Osttangente die Werse überqueren wird, der kernige Geruch von frischem Beton in der Luft. „Ich rieche das gerne“, sagt Stefan Straukamp vom Büro „w+b Ingenieure“. Damit alles wie geplant läuft, ist der Bauüberwacher in diesen Tagen regelmäßig zu Gast in Ahlen. Die Planer aus Münster haben die Brücke, die jetzt an der Bergamtsstraße entsteht, entworfen. Mit gewaltigen Schritten wächst das Bauwerk unaufhörlich in die Höhe. Erst in dieser Woche ist der zweite Mittelpfeiler gegossen worden. Etwa fünf bis sechs Meter hoch wird die Brücke die Werse überspannen, wenn der Verkehr im kommenden Jahr auf dem ersten Bauabschnitt der Osttangente zwischen Guissener Straße und Anschluss Zeche Westfalen fließt.
„Das ist auch für mich keine alltägliche Baustelle“, gibt der Brückenbauer zu. „Normal“ seien eher kleine Übergänge wie der, der heute 50 Meter neben der Baustelle die Werse überbrückt. Eine Brücke aber, in der wie bei der Osttangente mehr als 1500 Kubikmeter Beton stecken, ist schon eine Ausnahme, die dafür umso mehr Spaß macht. Mit dem Verlauf der Bauarbeiten ist Straukamp sehr zufrieden. „Das sieht alles sehr gut aus“, zollt er den Betonbauern der Firma Fritz Spieker aus Oldenburg Respekt. Vor allem die Oberflächen haben es Straukamp angetan. Keine glatten Wände, sondern profilierte Seitenflächen sollen die Brücke lebendiger aussehen lassen und besser in die Umgebung einfügen.
Die Baustelle sei jetzt „in einer spannenden Phase“, findet auch Bürgermeister Dr. Alexander Berger. Sichtbar werde nun, worüber lange Jahre diskutiert worden sei. Die Osttangente werde spürbar die Menschen in der Innenstadt vom Verkehr entlasten und das Gewerbegebiet auf der früheren Zeche Westfalen leistungsfähig erschließen. Was jetzt noch wie eine klaffende Wunde in der Natur anmutet, wird sich schon bald organischer in die Landschaft einfügen. Große Teile der 40 Meter auseinander stehenden Betonflügel werden von der begrünten Böschung eingeschlossen und nicht mehr zu sehen sein. Naturschutz spielt sowieso eine große Rolle bei dem Bauprojekt.
Damit Fledermäuse nicht Gefahr laufen, mit dem Verkehr zu kollidieren, werden in Holzbauweise sogenannte Irritationsschutzwände die Brücke zu beiden Seiten begrenzen. „Die müssen blickdicht sein“, erklärt Stefan Straukamp, warum man die gemächlich unter der Brücke durchfließende Werse von oben nicht sehen wird. Unaufhaltsam gehen die Bauarbeiten in diesem Sommer weiter. Bauleiter Ansgar Drees von den Ahlener Umweltbetrieben weist auf die Straßentrasse hin, die zurzeit abgeschoben und Ende Juli asphaltiert wird. „Zu sehen gibt es dann wieder etwas Mitte August“, lautet sein Tipp für alle Baustellen-Spotter, wenn die Überbauplatte betoniert wird und die Brücke zum ersten Mal wie eine Brücke aussieht.
Ihre Fertigstellung ist vorgesehen für November auch „wenn dann noch keine Autos drüber fahren werden“, wie Bauüberwacher Straukamp hinterherschiebt. Dazu wird es ab dem nächsten Jahr, wenn das Band feierlich durchschnitten wird, noch viele Gelegenheiten geben. „Die Lebenszeit ist für 100 Jahre bemessen“, gibt sich der Ingenieur optimistisch, dass die Ahlener an ihrer Brücke mehr Freude haben werden als mancher Sauerländer an den Autobahnbrücken der A 45.